Übers Knie gelegt …

Berliner Professor zweifelt an Buslinien auf dem Land

Jetzt lachen oder lieber betroffen schweigen? „Mobilität der Zukunft gestalten“ – unter diesem Motto sprach Professor Dr. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Seine Sicht der Dinge war für das Publikum manchmal eine intellektuell kaum zu lösende Herausforderung. Prof. Knie zweifelte am Sinn klassischer Linienverkehre im ländlichen Raum. 

„Dieser Verkehr hat keine Zukunft“, rief Prof. Knie in den Saal. In Jahrzehnten habe das Auto in Deutschland die Erwartung geprägt, überall und ohne Wartezeit direkt von A nach B zu kommen. Buslinien auf dem Land, wie wir sie kennen, könnten diese Erwartung nicht erfüllen. Die Digitalisierung biete heute aber auch Verkehrsunternehmen die Chance, mit eigenen Angeboten auf diese Ansprüche zu reagieren. Laut Prof. Knie gehe es den Menschen nämlich nicht mehr darum, ein eigenes Auto zu besitzen. „Die Säkularisierung hat stattgefunden.“

Als Lösungsvorschlag präsentierte der Sozialwissenschaftler ein Projekt, an dem er gerade mit dem Verkehrsunternehmen Wartburgmobil (https://www.wartburgmobil.info/) im Raum Eisenach arbeitet. „Wir haben folgende Idee: Warum sollen Menschen nicht andere Menschen mitnehmen? Jedes Auto, das im Moment privat unterwegs ist, kann doch auch ein Bus sein. Mit der Digitalisierung ist das einfach möglich.“ Das Besondere in Eisenach: Dort stellt der Verkehrsbetrieb über eine Online-Plattform sogar das Auto zur Verfügung. Knie mit Blick auf den Nutzer: „Wenn Du dann andere Menschen mitnimmst, in einem Gebiet und einer Zeit, die ich vorgebe, dann kannst Du pro Kilometer zwischen 85 Cent und einem Euro verdienen.“

Der Forscher pointiert: „Wir wollen nichts mehr mit Linienverkehren zu tun haben. Wir wollen das, was der Mensch kennt: Dass er jederzeit von dem Ort, wo er steht, zu dem Ort kommt, wo er hin will.“ Auch in den Städten müssten die Verkehrsunternehmen neue Lösungen „für die letzte Meile“ finden, um die Fahrgäste von der Bahn ans Ziel zu bringen. Mit der Digitalisierung seien „Anruf-Sammel-Taxis“, „Ride-Pooling-Angebote“ oder eben das Modell aus Eisenach auch hier zu empfehlen. Prof. Knie beklagt deshalb auch, die Regulierung für Anruf-Sammel-Taxis oder andere Angebote ohne feste Routen sei viel zu streng. Das werde auf die Branche zurückschlagen, weil sie so Chancen durch die Digitalisierung selbst nicht nutzen könne. Prof. Knie ironisch: „Wir brauchen keine Angst vor der Digitalisierung zu haben, die findet bei uns einfach gar nicht statt.“

Mit Blick auf die Chancen neuer Angebote durch die Digitalisierung kommt Prof. Knie allerdings doch noch zu einem verhalten optimistischen Ende: „Lassen Sie uns diesen Weg probieren, vielleicht schaffen wir es dann, endlich die Zahl der Autos, zumindest um die Hälfte, zu reduzieren.“

Dirk Altwig

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