Kommentar

LNVG-Geschäftsführerin fordert vom Bund schnelles Handeln beim System Bahn

LNVG-Geschäftsführerin Carmen Schwabl fordert vom neuen Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP), schnell für Verbesserungen beim System Bahn zu sorgen. Es könne zum Beispiel nicht sein, dass auch für kleinste Modernisierungen im Netz umfassende Prüfungen nötig seien.

 

Wir alle im SPNV und ÖPNV schauen gespannt nach Berlin. Es ist alles neu im Bund: neue Mehrheiten, eine neue Regierung und ein neuer Verkehrsminister – und nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auch noch eine völlig neue Weltlage. Damit scheint in Deutschland alles auf dem Prüfstand zu stehen. Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing hat allerdings in der Presse bereits angekündigt, bei Investitionen im Verkehrssektor nicht sparen zu wollen. Es ist zu wünschen, dass die Bundesregierung das durchhält. Gerade jetzt wird deutlich, dass wir ein stabiles Bahnsystem brauchen.
Und lassen Sie es mich direkt sagen: Bitte jetzt nicht wieder neue Ideen für die Verkehrspolitik entwickeln. Dem Bahnverkehr in Deutschland fehlen weder Programme noch Konzepte. Wir brauchen mehr Schienen, mehr Digitalisierung und mehr Geld. Alles bereits bekannte Positionen. Mehr Konzepte brauchen wir nicht.

Die Aufgaben, die Dr. Wissing angehen muss, sind an vielen Stellen bis ins Detail aufgeschrieben: Ausbau eingleisiger Strecken und Elektrifizierung im ländlichen Raum, Erhöhung der Kapazität insbesondere in den großen Bahnknoten. Davon ist in den vergangenen Jahren kaum etwas vorangekommen. Oft liegt das auch an den viel zu umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen.

Es gibt zahlreiche Stellen im Netz, wo im täglichen Betrieb immer wieder deutlich wird, hier fehlt ein kurzer zweigleisiger Abschnitt oder hier fehlen einige Meter Oberleitung. Die zeitaufwändige und komplexe „Standardisierte Bewertung“ ergibt dann keinen hinreichenden volkswirtschaftlichen Nutzen und lässt einen Bau nicht zu, obwohl der Sinn für den Betrieb offensichtlich ist. Hier würde es sich lohnen zu entbürokratisieren – und sei es auf Zeit, um die notwendigen Impulse zu setzen. Wie bei Straßen würde es so auch auf der Schiene „schnell“ vorangehen. Das wären keine spektakulären Großprojekte, aber es würde die Zuverlässigkeit des Betriebes – und die Zufriedenheit der Fahrgäste steigern.

Geld wird natürlich eine entscheidende Frage sein. Innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres muss der Bund für eine bessere Finanzausstattung der Aufgabenträger und der DB sorgen. Sonst reicht das Geld nur für einen Erhalt des Schienennetzes, nicht aber für die Realisierung des Deutschland-Taktes. Ganz klar ist: DB-Netz und DB Station&Service müssen als Unternehmen besser und als Arbeitgeber attraktiver werden und brauchen dafür mehr Personal – vor allem Planerinnen und Planer. Und beide sollten nicht nur wirtschaftlich orientiert ausgerichtet sein, sondern müssen überwiegend gemeinwohlorientiert ausgerichtet werden – denn es geht hier um Daseinsvorsorge.

Nicht nur die Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern für SPNV und ÖPNV zur Verfügung stellt, auch weitere Gelder müssen auch zukünftig langfristig verlässlich fließen. Kurz laufende „Strohfeuer“-Investitionsprogramme wie in der Vergangenheit führen dagegen zu einer ineffizienten Ressourcensteuerung und unerwünschten Preisentwicklungen.

Digitalisierung ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklung des Bahnverkehrs. Auch hier ist der Bund gefordert, er muss steuern. Bei Apps zum Ticketkauf oder zur Fahrplaninformation ist das Angebot zu unübersichtlich. Der Bund muss eine gemeinsame Plattform vorgeben, auf die Unternehmen und Verbünde aufsetzen können. Es kann nicht sein, dass die DB hier einfach mit ihrer Größe Standards setzt, denen alle folgen müssen.

Digitalisierung ist aus Kundensicht übrigens nicht die Lösung aller Probleme. Der Bund muss auch die Frage nach Verkaufs- und Service-Personal auf den Bahnhöfen in den Blick nehmen. Die DB zieht sich mit dem Kosten-Argument aus immer mehr Stationen zurück. Sauberkeit und Sicherheitsgefühl werden dadurch nicht gestärkt. Um den Fahrgast für die Schiene zu begeistern braucht es Service-Personal an den Bahnhöfen!

Auch bei der Umsetzung des europäischen Zugsicherungssystems ECTS (European Train Control System) muss vom Bund mehr kommen: Wenn damit „Intelligenz“ von der bundeseigenen Infrastruktur in die Züge verlagert wird, damit mehr Fahrten möglich sein sollen, muss der Bund den Einbau der Komponenten in die Züge bezahlen – und zwar komplett. Es geht hier nämlich nicht um einen Cent-Artikel aus dem Elektronikmarkt. Nach ersten Erkenntnissen liegen die Kosten pro Zugeinheit im Millionenbereich.

Zugegeben, es ist natürlich einfach, als Aufgabenträger Forderungen an die Bundespolitik zu formulieren. Es lässt sich aber nicht wegdiskutieren: Unser SPNV kommt vielfach nicht voran, weil es an der Infrastruktur des Bundes mangelt. Das gilt für einzelne Züge und fürs System. Bundesverkehrsminister Dr. Wissing muss das ändern. Die Konzepte liegen schon seit Jahren in der Schublade.

Carmen Schwabl

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