Ausschreibungen: Wie fällt eigentlich die Entscheidung für ein Unternehmen?

Ausschreibungen: Wie fällt eigentlich die Entscheidung für ein Unternehmen?

„Bahngesellschaft verliert Strecke an Konkurrenz!“ – wenn die LNVG eines ihrer Netze an ein neues Bahnunternehmen vergibt, ist das eine der üblichen Schlagzeilen. Aber wie geht das eigentlich? Wie fällt die Entscheidung für ein Unternehmen? Ralf Hoopmann, Leiter des Ausschreibungsmanagements erklärt die Hintergründe.

 

Herr Hoopmann, wenn die LNVG eine Bahnstrecke an einen anderen Betreiber vergibt, gibt’s manchmal Reaktionen wie „Aber die sind doch hier immer schon gefahren und die wollen wir behalten.“ Oder „Warum nimmt die LNVG denn ausgerechnet den billigsten Anbieter?“ Wie kommt ein Zuschlag zu Stande?

Ralf Hoopmann: Klingt jetzt vielleicht komisch, aber: Wir haben gar keinen Entscheidungsspielraum, wer am Ende das Netz bekommt. Bei der europaweiten Ausschreibung werden Wertungskriterien veröffentlicht. Wir prüfen und bewerten die Angebote, die reinkommen, nach diesen Kriterien und müssen dann das demnach Beste davon nehmen.

Und da gewinnt der Billigste? Billig klingt nicht unbedingt gut.

Ralf Hoopmann: Wir sprechen deshalb auch vom wirtschaftlichsten Angebot. Auch wenn in der Öffentlichkeit vom „billigsten Angebot“ die Rede ist, muss man dazu wissen, dass wir bei unseren Ausschreibungen meistens von einem jährlichen Vertragsvolumen im hohen zweistelligen Millionen-Bereich reden. Jeder Anbieter preist für sich dabei auch einen gewissen Gewinn ein. Die Bahnunternehmen bewerben sich ja um die Strecken, weil sie damit Geld verdienen können. Wir zahlen an die Bahnunternehmen Geld, weil der Nahverkehr auf der Schiene nicht kostendeckend ist, aber natürlich sind diese Fahrten wichtig, um Mobilität zu sichern. Das heißt: Jede Fahrkarte wird vom Land Niedersachsen mit Steuergeldern subventioniert. Und weil es da eben um Steuergelder geht, müssen wir das wirtschaftlich günstigste Angebot auswählen.

Soweit klar, klingt aber immer noch, als gehe es nur um Kosten und nicht um Qualität.

Ralf Hoopmann: Doch. Die Qualität kommt schon ganz am Anfang ins Spiel: In der Ausschreibung für das Netz machen wir hohe Qualitätsvorgaben, die der Sieger einhalten muss. Wir geben zum Beispiel Standards vor für Pünktlichkeit, Zugbegleitung, Sauberkeit, eventuell nötige Busersatzverkehre oder Fahrgastinformation. Das heißt: Die LNVG stellt die Qualität über ihre Vorgaben sicher, in der Ausschreibung ergibt sich, welches Unternehmen unsere Vorgaben zum günstigsten Preis erfüllt. So sichern wir für ganz Niedersachsen einheitlich gute Angebote im Nahverkehr auf der Schiene. Wer unsere geforderte Qualität nicht anbieten kann, wird den Auftrag auch nicht bekommen, wenn er uns niedrige Preise anbietet.

Wie läuft das Verfahren?

Ralf Hoopmann: Bis zu einer bestimmten Frist müssen die Angebote bei uns eingehen. Wir prüfen dann, ob die Angebote wirklich die Leistungen enthalten, die wir fordern. Wir überprüfen die Berechnungen der Unternehmen, checken auch, ob die Preise realistisch sind, um Dumpingangebote auszuschließen. Für die Angebote werden nach einem festen Muster Punkte vergeben. Das Angebot, dass die meisten Punkte bekommt, müssen wir auswählen, das gibt das Wettbewerbsrecht so vor.

Es wird also faktisch nicht über den Sieger abgestimmt, der Sieger ergibt sich aus dem Ergebnis der Prüfung und Bewertung der Angebote. Das ist ein faires und objektives Verfahren, das auch gerichtlich überprüft werden kann. Und weil wir die hohe Mindestqualität, die wir haben wollen, eben sehr genau vorgeben, entscheidet die Wirtschaftlichkeit des Angebots am Ende darüber, welches Unternehmen den Auftrag bekommt.

Und die Gremien, die entscheiden, müssen diesen Vorgaben folgen?

Ralf Hoopmann: Ja, alle Gremien, die am Verfahren beteiligt sind, müssen ebenfalls den Bieter mit den meisten Punkten auswählen. Übrigens: Diese Gremien, die bestätigen, dass wir das Verfahren korrekt durchgeführt haben, kennen den Namen der Unternehmen nicht. Die Bieter sind dort anonymisiert nur mit Nummern genannt. Das gilt zum Beispiel auch für den Beschluss in unserem Aufsichtsrat. Wie gesagt, diese Vergaben sind alle gerichtlich überprüfbar. Die Bahnunternehmen zögern auch nicht, dass zu tun, wenn sie einen Grund sehen. Die LNVG steht allerdings in dem Ruf, hier sehr sauber und zuverlässig zu arbeiten. Das letzte Nachprüfungsverfahren bei einer von uns federgeführten SPNV-Ausschreibung hatten wir vor über zehn Jahren.

Dirk Altwig

 

Aktuelles zu zwei SPNV-Ausschreibungen

Ausschreibung Bad Bentheim – Neuenhaus gestartet

Seit dem 7. Juli 2019 fährt die Bentheimer Eisenbahn auf der für rund 21 Millionen Euro reaktivierten Bahnstrecke Neuenhaus – Nordhorn – Bad Bentheim. Das Land hatte mehr als 15 Millionen davon übernommen. Die Betriebsleistungen, die eigentlich schon im Dezember 2018 starten sollten, konnten zu Beginn nach einer Ausnahmeregelung im altem Vergaberecht noch für maximal drei Jahre direkt an die Bentheimer Eisenbahn vergeben werden.

Das ab Dezember 2021 für den Streckenbetrieb auf der Linie RB56 zuständige Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) muss nun im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung für einen Zeitraum bis Dezember 2036 gefunden werden, da die LNVG nach aktueller Rechtslage keine nochmalige Direktvergabe vornehmen kann. Die entsprechende Veröffentlichung für ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erschien am 23.09.2020 im EU-Amtsblatt.

Da von der LNVG begleitend zur Beschaffung der fünf LINT-Fahrzeuge durch die Bentheimer Eisenbahn eine Wiedereinsatzgarantie gegenüber den Fahrzeugfinanzierern ausgesprochen wurde, müssen alle Bewerber den weiteren Einsatz der heutigen Fahrzeuge in ihren Angeboten zugrunde legen.

Der neue Verkehrsvertrag mit dem künftigen Betreiber wird 15 Jahre gelten und höhere Anforderungen an die Qualität beinhalten, mit der die jährlich 326 000 Zugkilometer dem Fahrgast angeboten werden. Vorgesehen ist, dass in jedem Zug ein/e Zugbegleiter/in mitfährt und damit eine Zugbegleitquote von einhundert statt siebzig Prozent gewährleistet wird oder das sogenannte Kundenmonitoring und eine Testkundenerhebung, wodurch die Qualität des Fahrerlebnisses gemessen wird.

Karin Thümlein

Neuausschreibung Expresskreuz Bremen/Niedersachsen verschoben

Der ursprünglich für Oktober 2020 geplante Start des Wettbewerbsverfahrens für das Expresskreuz Bremen/Niedersachsen (EBN) muss um etwa sechs Monate auf April 2021 verschoben werden. Denn die für die Ausschreibung der Betriebsleistung notwendigen Informationen und Daten zu den künftig zum Einsatz kommenden neuen Doppelstock-Fahrzeugen können erst nach Abschluss der vorgeschalteten Fahrzeugausschreibung zur Verfügung gestellt werden.

Der Zeitrahmen für die laufende Fahrzeugausschreibung wurde verlängert, da die LNVG  aufgrund der geforderten hohen Standards - vom höhengleichen Einstieg an den 76 cm hohen Bahnsteigen über großzügige Mehrzweck- und Fahrradbereiche, die je nach Jahreszeit vergrößert oder verkleinert werden können, bis hin zu Videoüberwachung und WLAN -  den Fahrzeuganbietern zusätzliche Zeit für die Erarbeitung besserer Angebote einräumte.

Wenn feststeht, welche Fahrzeuge ab Dezember 2024 auf den Linien Norddeich/Wilhelmshaven – Oldenburg – Bremen – Hannover (RE1) sowie Bremerhaven – Bremen – Hannover (RE8) und Bremerhaven – Bremen – Osnabrück (RE9) rollen, wird auch die Ausschreibung für die Betriebsleistungen veröffentlicht und im Wettbewerbsverfahren entschieden, welches Eisenbahnverkehrsunternehmen mit ihnen unterwegs sein wird.

Karin Thümlein

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