PBefG-Novelle:

On-Demand-Dienste stehen im Fokus

Acht Jahre nach der letzten Novelle des Personenbeförderungsgesetzes steht aktuell wieder eine Überarbeitung des PBefG im Raum. Das Bundesverkehrsministerium hat im November seinen Gesetzentwurf vorgelegt und das offizielle Anhörungsverfahren gestartet. Der Entwurf befindet sich derzeit in der Abstimmung zwischen den Bundesressorts und den Fraktionen, auch die Verbände und die Länder können und werden sich äußern. Danach wird noch einmal „nachgeschärft“, bevor der Entwurf das formelle Gesetzgebungsverfahren durchläuft, um noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet zu werden. Der nachfolgende Artikel wirft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Schlaglichter auf die Novelle.

Eine fachliche Einschätzung von Rainer Peters, Bereichsleiter "Personenbeförderungsrecht" bei der LNVG.

 

Das PBefG soll modernisiert und ins Zeitalter der Digitalisierung überführt werden. Hinsichtlich der Tätigkeit von digitalen Vermittlungsplattformen unterwirft der Gesetzentwurf diese in § 1 Abs. 1 a (neu) erstmals einer Genehmigungspflicht, wenn sie „die Vermittlung und Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich verantwortlich kontrollieren”. Definitorisch fehlt es dieser Klarstellung an einer klaren und für die Genehmigungsbehörden handhabbaren tatbestandlichen Abgrenzung zwischen reinen Vermittlern und solchen Unternehmen, die vermitteln und selbst befördern. Die Entstehung eines Graubereiches könnte die Folge sein.

Der Bereitstellung von elektronischen Mobilitätsdaten über einen nationalen Zugangspunkt der Bundesanstalt für das Straßenwesen wird in § 3a (neu) und in einer eigens dafür konzipierten Verordnung viel Raum gegeben. Verpflichtet zur Übermittlung statischer und dynamischer Daten werden Unternehmen und Vermittler. Umfang und Tiefe der zu liefernden Datenmengen dürften vom Gewerbe kritisch hinterfragt werden.

Umweltschutz im PBefG

Erstmals integriert im PBefG wird die Umweltverträglichkeit des Verkehrs. § 1a (neu) definiert dieses Schutzziel und seine Berücksichtigung in einem schlichten Satz. Folgerungen werden auch an anderer Stelle des Entwurfes gezogen. So verlangt § 8 Abs. 3 (neu) von den kommunalen ÖPNV-Aufgabenträgern, nicht mehr nur eine ausreichende, sondern auch eine umweltverträgliche Nahverkehrsbedienung zu planen. Dies wird auf kommunaler Ebene vielerorts bereits erfolgreich getan. Auch die Genehmigungsbehörde LNVG hatte bereits lange vor der jetzigen Novelle Belange des Klimaschutzes in ihre Abwägungen zur Entscheidung von Auswahlwettbewerben einbezogen.

Die Zielsetzung des Entwurfs, in § 2 Abs. 1a (neu) die Vorgaben der VO (EG) 1071/2009 für Nachunternehmerleistungen (Subunternehmer) in ein Verfahren nach dem PBefG zu integrieren, und beim Einsatz von Subunternehmern auch von diesen eine PBefG-Genehmigung zu verlangen, erscheint ebenfalls überzeugend. Die Schutzzwecke des PBefG entfalten ihre unmittelbare Wirkung damit auch im Nachunternehmer-Bereich.

Pooling-Verkehre werden reguliert

Im Zentrum des Entwurfes stehen flexible Bedienformen und ihre Plattformen – neudeutsch als On-Demand- oder Pooling-Dienste bezeichnet. Die Digitalisierung auch des Verkehrssektors begünstigt diese neuen Geschäftsmodelle, die durch intelligente Algorythmen mehrere Personen mit unterschiedlichen Zielen zu einer Fahrgemeinschaft auf Zeit verbinden. App-basiert und unabhängig von den strengen Vorgaben des Linienverkehrs offerieren sie ihren Bestellern Fahrdienste nach Bedarf. Da die neuen Mobilitätsangebote nicht den gesetzlich vorgegebenen Typisierungen entsprechen, konnten sie häufig nur über die Auffangklausel des § 2 Abs. 6 oder die zeitlich befristete Experimentierklausel des § 2 Abs. 7 PBefG genehmigt und erprobt werden. Eine gesetzgeberische Modernisierung des PBefG ist insoweit alternativlos.

Der Entwurf führt zwei Genehmigungsfiguren neu ins PBefG ein: den „Linienbedarfsverkehr“ (§ 44 neu) und den "gebündelten Bedarfsverkehr" (§ 50 neu). Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale lassen sich wie folgt charakterisieren: Der Linienbedarfsverkehr mit Bus und Pkw ist als eine ÖPNV-Form des Linienverkehrs statuiert, der keinen festen Linienweg kennt, eine bestimmte Fläche erschließt und je nach Fahrtwunsch zwischen sog. Haltepunkten und nach ÖPNV-Tarif verkehrt (ggf. mit Komfortzuschlag).

Der gebündelte Bedarfsverkehr erschließt ebenfalls eine bestimmte Fläche, ist aber dem Gelegenheitsverkehr zugeordnet und bleibt bei Bestellung allein dem Pkw vorbehalten. Anders als der Taxenverkehr ist er von der gesetzlichen Betriebs- und Beförderungspflicht befreit und zur Erhebung sog. Mindestentgelte verpflichtet, die über dem ÖPNV-Tarif liegen (müssen). In den Gelegenheitsverkehr wird insoweit neben dem Taxen- und dem Mietwagenverkehr eine dritte bedarfsaffine Genehmigungsfigur integriert. Damit erhöht sich die Zahl der im neuen PBefG kodifizierten Verkehrsformen des Bestellmarktes auf vier. Und dort – genauer gesagt in der unscharfen Abgrenzung dieser Verkehrsformen zueinander – eröffnen sich die rechtlichen wie ökonomischen Problemzonen.

Die Differenzierung zwischen gewerblichem Pooling und ÖPNV-Pooling wirft grundsätzliche Fragen auf. On-Demand-Dienste, die als öffentlicher Flächenverkehr ohne festen Ausgangs- oder Endpunkt konzipiert sind, rechtfertigen per definitionem keine systematische Einstufung als Linienbedienung. Ausschlaggebend für diese Einordnung dürften finanzielle Zwänge gewesen sein. Denn der Zugang zu staatlichen Fördermöglichkeiten ist eng an die Merkmale des Linienverkehrs gebunden.

Aufgrund der divergierenden Rechtsvorschriften für Linien- und Gelegenheitsverkehre führt die zweifache Kodifizierung von Pooling-Verkehren für die in 16 Bundesländern auf verschiedenen staatlichen Ebenen agierenden Genehmigungsbehörden zu rechtlichen Unklarheiten in der Gesetzesanwendung. Für Verkehrsunternehmen droht Planungsunsicherheit im Hinblick auf ihren Berufszugang im neuen Bestellmarkt.

Eine Reihe von Fragen sind ungeklärt

Zum Beispiel, ob ein beantragter Linienbedarfsverkehr sich der Prüfung stellen muss, genehmigte Bestandslinien wirtschaftlich zu gefährden. Unklar erscheint auch, wie sich ein genehmigter Verkehr nach § 44 (neu) auf die Beantragung neuer Linienverkehre nach § 42 verhält. Weiter erhebt sich die Frage, ob und inwieweit rechtlich noch Raum bleibt für einen Marktzugang nach § 50 (neu) bei einem bereits genehmigten Bedarfsverkehr nach § 44 (neu). Der neue Versagungsgrund fehlender „Verkehrseffizienz“ könnte einen solchen Marktzugang vereiteln und in seiner Unbestimmtheit Ausgangspunkt für langwierige Streitverfahren vor den Verwaltungsgerichten werden. Und falls die Genehmigung nach § 50 (neu) erteilt würde: wäre ein solcher Pooling-Verkehr wirtschaftlich zu betreiben? Wo läge der „Mehrwert“ gegenüber dem Pooling-Verkehr nach § 44 (neu), der dem Fahrgast – zum günstigen ÖPNV-Tarif - einen haustürnahen Einstieg und Ausstieg verspricht? Wo ist in diesem Kontext das häufig aus Ein- und Zwei-Wagen-Betrieben bestehende und dem ÖPNV nahe stehende Taxigewerbe einzuordnen, insbesondere in den mittleren und größeren Städten (s.a. § 46 Abs. 3 (neu)? Begünstigt die Regulierungsarithmetik im neuen PBefG am Ende die Entstehung prekärer Arbeitsverhältnisse im Bestellmarkt?

Der vorliegende Gesetzentwurf offenbart nach erster Würdigung eine Reihe ungelöster Abgrenzungsfragen und rechtlicher Unklarheiten, die es auszuräumen bzw. nachzuschärfen gilt. In dieser Fassung wird er jedenfalls nicht den Weg in die amtlichen Verkündungsblätter finden.

Rainer Peters

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