Carmen Schwabl, Sprecherin der Geschäftsführung der LNVG, erläutert:
„Wir haben bereits entschieden, dass wir keine neuen Dieselfahrzeuge mehr kaufen werden. Mitte/Ende der 2020er Jahre ersetzen wir weitere Dieseltriebzüge.“

Die LNVG hatte sich bereits 2012 auf die Suche nach Alternativen zu Dieselzügen gemacht. „Wir haben so einen Impuls für die Entwicklung der Wasserstoffzüge in Deutschland gegeben“, sagt Schwabl. „Uns gehören 126 Dieseltriebzüge, die wir bei verschiedenen Bahnen in Niedersachsen einsetzen. Wir werden keine Dieselfahrzeuge mehr kaufen, um noch mehr für den Klimaschutz zu tun. Auch sind wir davon überzeugt, dass Dieselzüge in Zukunft nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind. Wir freuen uns, mit den Partnern Linde und Alstom sowie der evb jetzt einen weiteren Meilenstein erreicht zu haben.“ Die LNVG wird je nach den Gegebenheiten auf nicht elektrifizierten Streckennetzen entscheiden, ob sie dort Züge mit Wasserstoff- oder Batteriebetrieb einsetzen wird."
Der Fahrgastbetrieb in Bremervörde startet jetzt mit fünf Zügen, die übrigen neun kommen bis zum Jahresende nach und nach dazu.
Mit einem „kleinen“ Projekt wollen wir beweisen, dass Wasserstoff eine echte Alternative ist und damit die Marktfähigkeit erreichen. Dann kann diese neue Antriebsart in Zukunft auch im Wettbewerb vorgegeben werden. Mit den über 20 Jahren Erfahrung aus dem LNVG-Fahrzeugpool konnten wir diese neue Fahrzeuggeneration beschaffen und auch deren Instandhaltung sowie die Energieversorgung langfristig sichern. Wir haben dies dabei als ganzheitliches System betrachtet und entwickelt.
In Deutschland sind nur ca. 60 Prozent der Strecken elektrifiziert. Gerade auf nicht hoch belasteten Strecken ist eine Elektrifizierung wirtschaftlich nicht darstellbar. Also muss die „Elektrifizierung in das Fahrzeug“ gebaut werden. Es sprechen drei Argumente für den Einsatz von Brennstoffzellentriebzügen im SPNV auf Strecken, die mittel und langfristig nicht elektrifiziert werden:
1. Einsparung von CO2

Nicht erst mit den Beschlüssen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus 2015 steht der Klimaschutz im Fokus. Größtes Ziel ist die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, um die Erderwärmung zu verringern oder aufzuhalten. Auch der Verkehrssektor muss hier einen erheblichen Beitrag leisten.
Mit den Brennstoffzellentriebzügen der LNVG ist ein Anfang gemacht. Es werden die heute vorhandenen Dieseltriebzüge ersetzt. Damit wird lokal – während der Fahrt – kein CO2 mehr erzeugt. Im Weser Elbe Netz werden so bei einem Jahresverbrauch von ca. 1,6 Millionen Litern Diesel etwa 4.400 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Es ist zwar nur ein kleiner Anteil an den Gesamtemissionen CO2 des Verkehrssektors, aber mit diesem Projekt ist der Anfang gemacht und der Nachweis des Funktionierens erbracht.
In einer ersten Phase zur Betriebsaufnahme nutzen wir Abfallwasserstoff aus der chemischen Industrie. Er wird nicht extra produziert, sondern nachhaltig weiterverwendet. Der Wasserstoff wird zunächst mit LKW zur Tankstelle nach Bremervörde gebracht.
In einer zweiten Phase ab ca. 2024 ist geplant, grünen Wasserstoff vor Ort mit Solar und Windstrom zu produzieren. Dazu soll eine Elektrolyseanlage in Bremervörde gebaut werden – Platz ist an der Tankstelle bereits vorgesehen. Dann ist auch die Energieversorgung der Fahrzeuge emissionsfrei. Es werden weitere ca. 4.600 Tonnen CO2 jährlich eingespart. Damit werden im gesamten Projekt ca. 9.000 Tonnen CO2 pro Jahr „nicht mehr erzeugt“.
In einer dritten Phase - der Zeitrahmen ist noch nicht zur prognostizieren - soll der Anteil an Wasserstoff aus Elektrolyse noch deutlich steigen.
Die Speicherbarkeit des Wasserstoffs machen wir uns ebenfalls zu nutze. Der Wasserstoff wird erzeugt, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Bei Flaute nutzen wir den gespeicherten Wasserstoff und können so die Verfügbarkeit der Energie für die Fahrzeuge sicherstellen. Der „Abfallwasserstoff der chemischen Industrie“ wird eine Rückfallebene bilden.
2. Einsparung von fossilen Treibstoffen

Der Einsatz von fossilen Treibstoffen ist zeitlich und auch wirtschaftlich begrenzt. Es ist von einer weiteren Verknappung auszugehen, so dass es nicht nur die Einsparung, sondern auch die Reduzierung dieses Kraftstoffs zu forcieren gilt. Die aktuellen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen erhöhen den Druck ungemein, hier in Zukunft Alternativen einzusetzen und fossile Treibstoffe einzusparen.
Heute fahren die Dieseltriebzüge im Weser Elbe Netz ca. 1,7 Millionen km pro Jahr. Mit den Brennstoffzellenzügen der LNVG werden pro Jahr die heute ca. 1,6 Millionen verbrauchten Liter Diesel ersetzt, die nicht mehr produziert oder beschafft werden müssen. Wenn der Wasserstoff vor Ort produziert wird, fahren wir nicht nur komplett CO2-frei, sondern auch noch energieautark. Wir sind dann nicht mehr auf fossile Treibstoffe angewiesen und leisten damit auch einen großen Beitrag zur gesamthaft notwendigen Einsparung dieser Energie.
3. Wirtschaftlichkeit auf eine Lebensdauer von 30 Jahren betrachtet
Nach der Wirtschaftlichkeit des LNVG-Projektes wird immer wieder gefragt. Natürlich kann diese heute nicht mit realen Zahlen belegt werden, weil zu wenige Erfahrungen mit der neuen Technologie vorliegen. Die LNVG geht nach den Erfahrungen mit den Pilotfahrzeugen und unseren Dieselfahrzeugen davon aus, dass über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeuges der Brennstoffzellenantrieb wirtschaftlicher ist, zumal nicht klar ist, wie hoch die Kosten für Diesel noch werden.
Den etablierten Dieselantrieb mit dem Brennstoffzellenantrieb zu vergleichen, ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Bei einem Vergleich darf man die Folgekosten, hier im Wesentlichen den CO2-Fußabdruck, nicht vergessen. Hier schlägt das Pendel dann eindeutig zu Gunsten des Brennstoffzellenantriebs aus. Ein großer Beitrag zur Wirtschaftlichkeit sind die Fördermittel.
Wasserstoff ist das auf der Erde am häufigsten vorkommende Element. Es lässt sich herstellen, entsteht auch in verschiedenen industriellen Prozessen, es ist in großen Mengen speicherbar. Er ist eine quasi unendliche Energieressource. Wasserstoff rückt deshalb immer mehr in den Fokus als Lösung in der Energiewende. In der Mobilität wird der Wasserstoff nicht mehr weg zu denken sein. Gerade in abgegrenzten Bereichen mit kleinen und mittleren Flottengrößen – egal ob Güter oder Personentransport – bietet sich Wasserstoff als Antrieb verkehrsträgerübergreifend an. Mit einer notwendigen Sektorenkopplung (bspw. Mobilität und Energie oder Mobilität und Gas) lassen sich weitere Effekte erzielen, die insgesamt den Markt und auch die Nutzbarkeit von Wasserstoff erhöhen. Damit lassen sich nachhaltig Kosten senken und die Effizienz steigern.
Die LNVG will mit den Brennstoffzellentriebzügen die Marktreife dieser neuen Antriebsform im SPNV erreichen – und mit unseren Erfahrungen anderen den Weg ebnen, um Dieseltriebzüge zu ersetzen. Wir würden uns übrigens freuen, wenn unser Projekt kopiert wird.
Carmen Schwabl, Thomas Nawrocki, Dirk Altwig