Netzwerk aus NRW - Vorbild für Niedersachsen?

Experten sind sich einig: Öffentlich zugängliche Mobilität muss künftig mehr sein als Linienbusse, die nach Fahrplan unterwegs sind. Mit einem neuen Netzwerk will die LNVG solche Überlegungen und den Austausch von Ideen unterstützen. Ein erfolgreiches Vorbild wurde auf der Konferenz in Hannover vorgestellt: Das „Zukunftsnetz Mobilität“ aus Nordrhein-Westfalen.

„Verkehrswende vor Ort“, mit diesem Anspruch sei das „Zukunftsnetz Mobilität“ 2015 gestartet, erläuterte Andreas Falkowski in seinem Vortrag. In einer Präsentation des Netzwerks heißt es: 100 Jahre habe das Auto die Mobilität in Deutschland geprägt, das führe heute immer öfter zu „kollektivem Stillstand“. Nun gehe es darum, in den Städten „neue Freiräume für mehr Lebensqualität“ zu schaffen. Der ländliche Raum müsse verlässlich an die Zentren angebunden werden, „eine Zukunftsperspektive als attraktiver Wohnort“ gewinnen.

176 Landkreise, Städte und Gemeinden in NRW würden inzwischen mitmachen, so der studierte Verkehrswirtschaftler. Vertreten seien Großstädte wie Köln und Düsseldorf, aber auch viele ländliche Kommunen. „Viele haben erkannt, dass sich etwas tun muss“, sagte Falkowski.“ Vom Land bekomme das Netz inzwischen zehn Millionen Euro im Jahr als Förderprogramm für die Kommunen für Mobilitätsmanagement und vernetzte Mobilität zur Verfügung gestellt.

Was sind die Gründe für Kommunen, sich zu beteiligen? „Mit der Verkehrswende vor Ort wird mehr Platz, mehr Sicherheit und weniger Lärm geschaffen. Bessere Luftqualität entsteht. Das hören wir immer wieder aus den Verwaltungen.“ Auf dem Land kämen auch Fragen wie Ärztemangel und Einkaufen dazu. „Wie bekomme ich ältere, kranke Menschen zum Arzt? Wie können sie an der Nahversorgung teilhaben?“ Falkowski sagt auch: „Es wird Wege geben, da ist man aufs Auto angewiesen. Die Frage ist aber, braucht man das Zweit- oder gar Drittauto?“

Falkowski betonte, es gehe beim Einführen neuer Konzepte nicht darum, das Auto zu verteufeln. „Es braucht eine positive Erzählung. Es braucht attraktive Angebote für den Umstieg. Es gilt, positive Gründe zu vermitteln.“ Ein Beispiel aus Siegen. Dort sei ein marodes Parkdeck mit 300 Plätzen abgerissen worden. „Ein Riesenaufschrei aus dem Einzelhandel, der herbe Umsatzverluste befürchtete. Heute sagen die Unternehmer: Wir haben mehr Umsatz!“ Die Parkplätze seien nicht ins Gewicht gefallen, weil es genügend andere drumherum gegeben habe, vor allem aber habe sich die Lebensqualität spürbar verbessert.

Der Experte nannte Ortsdurchfahrten, die zwar autogerecht seien, bei denen es aber es keinen Platz für Fußgänger und Radfahrer gebe. Solche Gestaltungsfragen seien wichtig, wenn mehr Wege zu Fuß oder per Rad zurückgelegt werden sollten. „Das Potential ist da. 50 Prozent der KFZ-Fahrten sind nicht länger als fünf Kilometer.“ Etwa ein Drittel seien nicht länger als drei Kilometer. „Das sind alles Entfernungen, die man durchaus zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurücklegen kann“. Falkowski weist auf einen interessanten Nebeneffekt hin: „Die, die aufs Auto angewiesen sind, wegen der Entfernung, oder zum Beispiel Handwerker, die haben dann auch wieder mehr Platz auf der Straße.“

Dirk Altwig

 

Eine Auswahl von Stichwörtern zum „Zukunftsnetz Mobilität“:

Die Entscheidung: „Es muss gewollt sein. Die Kommune muss wollen. Es muss Chefsache sein“, sagt Falkowski. Wichtig sei eine abgestimmte Strategie, bei der auch alle Ämter an einem Strang zögen. Die Mitgliedschaft sei kostenlos, Bedingung sei aber, dass die Verwaltungsspitze zu Beginn für ein Gespräch zur Verfügung stehe. Außerdem seien die Kommunen verpflichtet, einen festen Ansprechpartner zu schaffen, der Mobilitätsfragen über die verschiedenen Zuständigkeiten im Blick behalte. „Viele Ämter haben mit Mobilität zu tun, sei es das Schulamt, die Wirtschaftsförderung oder die Bauverwaltung. Leider arbeiten die Ämter aber nicht sehr koordiniert“, weiß der Experte. Die neue Zusammenarbeit verbinde vorhandenes Know-How, und das motiviere die Mitarbeiter zusätzlich.

Angebote: Das Netzwerk unterstützt mit Auftaktworkshops und Fortbildungen. An Lehrgängen, die Verwaltungsmitarbeiter als Mobilitätsmanager qualifizieren, hätten bereits 150 Kollegen/innen teilgenommen. Es gebe Wissensaustausch und Best-Practices auf Tagungen und in Fachgruppen. Ein fertiger „Werkzeugkasten“ bietet „konkrete Maßnahmen“ für verschiedene Zielgruppen, etwa Schulen oder Betriebe. „Nirgendwo muss das Rad neu erfunden werden.“

Verkehrsmix: „Mehr ÖPNV schaffen, mehr Radverkehr, mehr Sharing-Systeme – es gibt viele Ansatzpunkte“, sagt der Verkehrswirtschaftler. Es sei wichtig, ÖPNV als „abgestuftes System von regionalen Schnellbussen, Schienenverbindungen, vom lokalen Bus bis hin zum Bürgerbus, Anruf-Sammeltaxi sowie On-Demand-Angeboten“ zu verstehen. Manchmal müssten Busse auch besonders ausgerüstet werden: „Auf bestimmten Verbindungen werden Fahrradanhänger nachgefragt.“ Gute Radwege und Fahrradabstellanlagen braucht man ebenfalls.

Fußverkehr: Falkowski rät: „Machen Sie mal eine Erreichbarkeitsanalyse, wo gehen die Bürger in meiner Stadt, in meinem Dorf hin? Welche Wege sind wichtig?“ Dabei müsse auch die alternde Bevölkerung bedacht werden. „Es wird auf die entscheidende Frage ankommen, wie Rollatoren-tauglich ist die Kommune?“ Mitarbeiter des Netzwerkes würden hier vor Ort unterstützen. Wichtig sei auch dafür zu sorgen, dass Kinder sicher zu Fuß zur Schule gehen könnten. „Heutzutage werden an den meisten Schulen über 50 Prozent der Kinder mit dem Auto gebracht.“ Kommunen hätten sich vom Netzwerk unterstützen lassen und „konnten die Eltern-Taxi-Quote auf 20, 25 Prozent senken“.

Firmen und Fachkräfte: „Immer häufiger kommen die Industrie- und Handelskammern zu uns und sagen, wir haben Probleme.“ Mitarbeiter seien nicht mehr automatisch bereit, eigene Autos anzuschaffen: „Wenn die aus Großstädten kommen, fragen sie nach einem Carsharing-Angebot. Oder nach einem Fahrrad-Verleihsystem. Für die ist selbst der äußere Speckgürtel von Köln schon zu ländlich. Da muss man sich Gedanken machen.“

Carsharing: In Großstädten könne ein Carsharing-Fahrzeug bis zu 20 Wagen ersetzen, auch im ländlichen Raum könnten noch sieben Privat-PKW eingespart werden. Dabei seien verschiedene Wege denkbar, etwa ein gewerblicher Betreiber als „Ankermieter“. Ein zweites Beispiel: Eine Kommune von 15.000 Einwohnern, die ihre zwei Dienstwagen durch Carsharing ersetzt hat. Von 7 bis 17 Uhr stehen die Wagen den Mitarbeitern zur Verfügung, danach und an Wochenenden den Bürgern. So kann man das Thema im ländlichen Raum angehen.

Dirk Altwig

https://www.zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de/

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