Streckenmotiv während der Reaktivierung der Ilmebahn

LNVG-Geschäftsführerinnen im Interview: „Wir halten an Attraktivitätssteigerungen fest“

Das Coronavirus betont die Bedeutung der Verkehrswende. Und die Pandemie zeigt deutlich, dass Streckenkapazitäten und andere Infrastruktur für Nahverkehrszüge fehlen. Auch flexible Bedienformen im ÖPNV müssten weiter vorangetrieben werden, sagen die LNVG-Geschäftsführerinnen Carmen Schwabl und Susanne Haack im Interview mit LNVGaktuell.

Frau Haack, Frau Schwabl, ist die Verkehrswende durch das Coronavirus jetzt eigentlich abgebrochen?

Susanne Haack: Abgebrochen – definitiv nicht! Zugegeben, der Autoverkehr hat im Zuge der Pandemie wieder deutlich zugenommen. Und sicher haben in den letzten Monaten andere Themen das Thema Verkehrswende überlagert. Aber die Bedeutung des Klimaschutzes ist ja nicht weniger geworden. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Konjunkturpaket sehen wir zum Beispiel die Förderungen der Bundesregierung für die E-Mobilität. Und: Bei zunehmend sommerlichen Temperaturen wird der Klimaschutz und damit auch die Verkehrswende wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen kommen. Ein wesentlicher Teil steht ja nach wie vor erst am Anfang: In den Ballungsräumen und insbesondere auf dem Land Alternativen zum Auto bieten, das ist Kernthema der Verkehrswende und ein Kernanliegen der LNVG, das wird nicht abgebrochen. Da sind wir mit vielen Ideen erst am Anfang: Es geht zum Beispiel um flexible Bedienformen beim ÖPNV – oder das landesweite Netzwerk Mobilitätsmanagement. Wir lassen da nicht locker!

Carmen Schwabl: Verkehrswende war schon Aufgabe der LNVG, da gab es das Wort noch gar nicht, klar machen wir da weiter. Übrigens auch mit unserem Projekt „Brennstoffzellentriebzüge“ bei der evb, die Triebzüge werden zukünftig von grünem Wasserstoff angetrieben. Da sind wir weltweit führend. Und schauen wir mal auf die Ballungsräume: Dort sehen wir gerade interessante Entwicklungen. Fahrspuren werden zu Bus- oder Radspuren umgewandelt.

Das heißt nicht automatisch, dass Fahrgastzahlen wieder steigen.

Carmen Schwabl: Natürlich steht auch der Nahverkehr vor großen Herausforderungen. Das Coronavirus könnte längerfristig Auswirkungen auf das Kundenverhalten haben – Stichwort Homeoffice. Insgesamt gehen wir aber davon aus, dass sich die positive Nachfrageentwicklung auf lange Sicht fortsetzen wird, wenn wir daran festhalten, die Attraktivität des SPNV weiter zu steigern. Deswegen werden wir in den kommenden Jahren weitere Verbesserungen umsetzen: Mehr Verbindungen anbieten, Fahrzeuge modernisieren, mit WLAN oder Videoaufzeichnungen ausstatten, um die Sicherheit weiter zu erhöhen. Auch wir arbeiten intensiv daran, mehr und längere Züge einsetzen zu können. Und natürlich gibt es auch einen ganz praktischen Punkt: Wenn es wieder mehr Staus im Autoverkehr gibt, werden die Leute schnelle Bahn-Verbindungen wieder vermehrt als Alternative nutzen.

Mit Verlaub, Bahnen sind schnell, aber ja nicht immer 100-prozentig pünktlich …

Carmen Schwabl: Wir haben in der bisherigen Corona-Phase ein spannendes Phänomen beobachtet: Die Pünktlichkeit der Züge im LNVG-Gebiet hat sich erstaunlich verbessert. Offenbar hängt das damit zusammen, dass deutlich weniger Güter- und Fernzüge gefahren sind. Da ist für uns noch mal sehr deutlich geworden: Der SPNV leidet unter fehlender oder nicht ausreichend leistungsfähiger Infrastruktur. Der Bund muss das dringend anfassen, es fehlen Weichen, Ausweichgleise, Streckenkapazitäten, Elektrifizierungen.

Viele Fahrzeuge, mit denen die Bahnunternehmen in Niedersachsen unterwegs sind, gehören der LNVG. Ist schon absehbar, ob die Fahrzeuge wegen des Coronavirus technisch verändert werden müssen?

Carmen Schwabl: Wir prüfen eine bessere Information für die Fahrgäste am Bahnsteig. Denkbar ist, die Reisenden zum Beispiel mit Apps vorab zu informieren, in welchem Zugteil es noch freie Sitzplätze gibt, damit sich die Kunden besser verteilen.

Niedersachsen nimmt Milliarden in die Hand, um die Folgen von Corona für die Wirtschaft möglichst gering zu halten. Haben Sie Sorge, dass deshalb Projekte der LNVG leiden könnten?

Susanne Haack: Die verkehrs- und umweltpolitische Bedeutung unserer Projekte steigt in der aktuellen Situation. Die LNVG wird ihre Erfahrungen und Expertise einbringen – und unsere Projekte zur Stärkung des umweltfreundlichen Verkehrs voranbringen, zum Beispiel durch die Förderung von Bussen mit alternativen Antrieben. Die Menschen sind in der letzten Zeit auch vermehrt mit dem Fahrrad unterwegs – das können wir durch hochwertige Abstellanlagen unterstützen.

Carmen Schwabl: Wir werden an den geplanten Fahrplanverbesserungen festhalten. Wir werden zusätzliche Fahrzeuge und damit mehr Platz für die Fahrgäste bieten. Und noch eine grundsätzliche Bemerkung: Ich habe keine Sorge um unsere Mittel. Wirtschaft funktioniert nur mit guter Infrastruktur und dazu gehört, dass die Leute mit Bus und Bahn zur Arbeit kommen. Das Land Niedersachsen will gute Infrastruktur.

Dirk Altwig

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